Produktion 2022/23

Rita und die Kleider der Frauen

Phantastische Geschichten nach Brigitte Kronauer und Alice Munro

Aus der Schlüsselloch-Perspektive eines wunderlich-naives und scharfsinniges Mädchens wird erzählt von umherirrenden wirren Witwen, von goldenem Schuhwerk und liebestollen Männerbriefen, von korsettgezügelten Körpern, wildgewordenen Küchenmaschinen und zeitlosen zylinderförmigen Damen ihren mit ihren Hündchen an schrägen Leinen. Aus  neugieriger Distanz beobachtet Rita den weiblichen Kosmos, in dem sie aufwächst: Hausfrauen, Mütter,                 Nachbarinnen, Tanten, Diven und Wesen zwischen Mann und Frau. Deren Leiden an der Enge und Monotonie ihres Alltags in den 1950 und 60er Jahren, ihre geheimen, oft bizarren Sehnsüchte nach Veränderung und Verwandlung sind das Leitmotiv all dieser Geschichten, die auf die Bühne geholt werden. Sie verbinden sich mit Ritas kindlichen Ängsten, mit erwachender Lust und erträumten Ausschweifungen der Halbwüchsigen bis zu den Phantasiereisen der Neunzigjährigen, die nun nicht mehr auf das Einbrechen einer großen Liebe, sondern „mit angehaltenem Atem auf einen großen Schrecken“ wartet.

In den Dingen ihrer allernächsten Umgebung, den Kleidern, Taschen, Perlenketten, Schals und zartfarbener Seidenwäsche manifestieren sich die Träume dieser Frauen: Gegenstände und Zeichen weiblicher Welterfahrung, Projektionsflächen ihrer Gefühle, Visionen und Erinnerungen.

Das Spiel entfaltet sich auf schmalem Grat zwischen Wirklichkeit und Phantastik, zwischen Satire und Melancholie mit überraschenden Brüchen, Rissen in der bürgerlichen Fassade, Kehrtwendungen und Metamorphosen. Ein Rest von Geheimnis und Rätsel bleibt immer, bereitet gleichermaßen  Vergnügen und Gänsehaut.

Flyer; Bild 1; Bild 2; Bild 3; Bild 4; Bild 5; Bild 6;

Produktion 2020/21

Aus dem letzten Zimmer

Eine szenische Gratwanderung über die Gefilde der Vergänglichkeit


Von allen Seiten kommen sie, in staubigen Wanderschuhen, haben lange Wege hinter sich: Reisende, Nomaden, Pilger. Kommen auf dem Friedhof an, mit leichtem Gepäck : mit Kissen, Teppich, Wäscheständer, mit Büchern, Yogamatte, Klappstuhl und Schirm, richten sich einen Rastplatz ein, an dem sie sich vorübergehend heimisch fühlen können. Sie werden Atem holen, ausruhen, sich erinnern, nachdenken, Fragen stellen an diesem verkehrsumbrandeten Fluchtpunkt mit fließenden Grenzen zum Jenseits.
"Die Menschen auf den Wiesen" begegnen "den Menschen unter den Wiesen", ahnend, dass der gemeinsame "heitere Landaufenthalt"(Jandl) nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Als Nachbarn oben besuchen sie die "Unter-Mieter", lesen die Namen auf den Grabsteinen wie Türschilder, an denen man klingeln könnte; versuchen vergeblich einen Brief zuzustellen; hinterlassen kleine Aufmerksamkeiten.
Sie erinnern sich an frühe Tote im eigenen Leben und an ihre kindlichen Gedanken über die Geheimnisse des Sterbens. Noch einmal schwelgen sie in den Genüssen des Lebens, tauchen ein in Farben, Düfte, Bilder und Tänze, noch einmal schwingt die Schaukel in die Höhe. Umgeben von Zeichen der Vergänglichkeit, betrachten sie ihre Spiegelbilder, balancieren zwischen Tag und Nacht,  schließen und öffnen die Augen wieder, freuen sich, daß die Welt noch da ist. An der bröckligen Ziegelmauer  singt eine Frau ihr Abschiedslied für den Liebsten:  "tomorrow is near, tomorrow is here, and always too soon"
Auf blumenübersäten Grabfeldern betrauern sie den Verlust von Eltern, Geliebten und Geschätzten. Was bleibt, sind letzte Dinge, Fotografien der teuren Toten, ein hinterlassener Mantel, in den man sich schmiegt wie in die Arme des Freundes, ein Tanz mit tränenfeuchten Taschentüchern.
Manchmal scheint die Luft vom Stimmengewirr der Toten erfüllt, undeutlich zumeist. Dann plötzlich ist klar zu verstehen, was sie erzählen: poitierte Lebensbilanzen, wohlmeinenden Ratschläge an die Hinterbliebenen, bittere Abrechnungen und schadenfrohen Triumphe. Lange Verblichene in edlen Gewändern feiern ein üppig-barockes Fest. Sie erinnern sich mit schmerzhafter Genauigkeit an die Früchte der Erde, nach denen sie sich im Totenreich verzehren; An ihre Farben und Düfte,  ihren unvergleichlichen Geschmack, ihre Haut, ihre Kerne, ihre Reifegrade, ihre Temperatur und ihre Weichheit.
Die leeren Räume der Mausoleen werden aufgeschlossen, und zeigen sich angefüllt mit Nichts oder mit Musik, einer Schrift an der Wand oder dem Nachglimmen eines Streichholzes. Ahnungen stellen sich ein vom Endes des Raumes, vom Ende der Zeit.
Die Reisenden in diesem Spiel sind wir alle.
Auch wir, die Theaterleute, die das Glück hatten, für einige Monate diesen alten geheimnisvollen Friedhof zu beleben. Er wurde Spielfeld für uns, Bühnenraum. Zwischen Stille und dem Schrillen der Martinshörner haben wir hier bei wechselnden Wettern, Jahreszeiten und Pandemievorschriften geprobt. Immer wieder sind wir Spaziergängern begegnet, Vögeln, Gärtnern, Bauarbeitern, Bienen, Eichhörnchen und haben uns den Toten, die hier ihre letzte Heimstatt haben, sehr nahe gefühlt.
"Ihr hätte es gefallen" sagte ein junger Mann mit Blick auf das Grab seiner Mutter, als er uns zwischen den Gräbern probieren sah.



Produktion 2017/18

Ein Boot in der Küche

Ein szenisch-choreografisches Skizzenbuch von Möbeln und Menschen, vom Sitzenbleiben und Aufbrechen und von der humanisierenden Kraft des Unsinnsdes Unsinns

Das Material des gewöhnlichen Lebens wird in „Ein Boot in der Küche“neu sortiert. Eine eigene, wunderliche Welt entsteht, in der Figuren und Dinge gleichwertig miteinander in Verbindung treten. Inspiriert von den außergewöhnlichen Zeichnungen der süddeutschen Künstlerin Romane Holderried Kaesdorf (1922–2007) verbindet die skizzenhafte Bilderfolge des Stücks „Ein Boot in der Küche“ groteske chorische Bewegungselemente, absurde Szenen und Textzeilen von Gertrude Stein, Ernst Jandl, Ror Wolf, Franz Kafka, Henri Michaux, Raimond Queneau und anderen. Die eigenwilligen „Vor-Bilder“ handeln von provinziell verstrickten Männern und Frauen, Befreiungsphantasien und dem Ringen um weibliches Künstlertum in widrigen kleinstädtischen Lebensumständen. „Ein Boot in der Küche“ greift die Bildinhalte, die gleichermaßen alltäglich wie aberwitzig und bizarr erscheinen, auf der Bühne auf. Der Reflex dieses absurden Theaters auf die Realitäten unserer modernen Welt ist möglich und beabsichtigt.

Flyer


Produktion 2014/15    

Kommen & Gehen - Geschichten vom Platz

Über einen weiten mediterranen Patz, dem Hauptdarsteller der Inszenierung, ergießt sich wort- und sprachlos ein unaufhörlicher, bunter Strom von Passanten, Paaren, Grüppchen und Gruppen. Geheimnisvolle Durchgangswesen schlendern, eilen, krebsen, kriechen, marschieren, fliehen, stolpern, hinken, rollen, tänzeln, flitzen oder schweben – woher? wohin? – vorbei… vorbei... Und mit ihnen winzige Geschichten, tragische, komische, fatale, absurde oder geheimnisvolle Miniaturen – sie erzählen von inwendigen und auswärtigen Hindernissen, über die wir stolpern in unserer Sehnsucht nach Gemeinsamkeit, immer haarscharf aneinander vorbei, vom anderen nichts wissend.

Aus dem Auf und Ab erahnter, verzögerter, verpasster, verpatzter und versäumter Begegnungen entsteht ein Gewebe, ein Flickenteppich, der sich allmählich über den Platz legt und ihn verändert.

In den Pausen zwischen dem episodischen Treiben der Figuren wird der Platz selbst zum Akteur, atmet auf, spielt mit dem Licht, mit Wind, Laub, Vogelstimmen, Flugzeug, Papier, Gewitterschauern, Abfall, und Stille.

Das Ganze ein Traumspiel, eine Metapher für den Fluss des Lebens, ein Tanz mit Raum und Zeit.

      


Produktion 2014

Projekt Bolero

Der BOLERO - mit seinem wieder- und wiederkehrenden musikalischen Motiv und dem gleich bleibenden, herzschlagähnlichen Rhythmus der Struktur der geplanten Szenenfolge verwandt - wird zunächst in Anklängen und Bruchstücken hörbar. Einmal, gegen Ende der Inszenierung, ergreift die Musik das ganze Ensemble, geht unter die Haut, reißt alle  in den Tanz hinein, in ein grenzenloses Fest auf dem Platz der unerfüllten Wünsche. Einmal - bevor der Sturm sich wieder legt, das blinde Nebeneinander sich wieder etabliert, der Wettlauf mit dem Leben weitergeht…

In Zusammenarbeit mit Lis:sanga dance company, Berlin

                            


Produktion 2012/13

Ausflug ins Gebirge
Gratwanderungen und hinterletzte Szenen zwischen Dada, Demenz + den Verheißungen der Endlichkeit
Mit einer lockeren Folge szenischer Skizzen nähert sich die Zentrifuge den meist verborgenen Realitäten in Pflegeverhältnissen und den widerstreitende Gefühlen der Beteiligten. Für immer mehr Menschen werden diese Beziehungen zum zentralen Lebensthema, das bis heute mit Idealisierungen und Tabus verbunden ist. Leitgedanken der Inszenierung sind der Wechsel von Perspektiven, die Umkehrbarkeit von Erinnern und Vergessen, Pflege und Gepflegtwerden, Alt und Jung, Power und Hinfälligkeit, Satire und Todernst,  das Spiel mit Verrücktheit, Chaos und Sprachverwirrung.

 Flyer


Produktion 2010/11

PONG hoch fünf- Warum einem Verrückten die Welt gefällt wie sie ist und manchmal nicht.  Szenischer Eiertanz in sieben Bildern nach einer Erzählung von Sibylle Lewitscharoff

Pong hört das Gras wachsen, rettet die Erde vor der verrückt gewordenen Menschheit und Kinder vor dem Parfum ihrer Mütter. Bedürftige werden beglückt, die Dummheit vertrieben und Tiere befreit, juchhe! Zum ersten Mal erscheint Pong, das kuriose Geschöpf der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, auf der Bühne.

In der Inszenierung des Theaters Zentrifuge geben fünf Darsteller dem “Verrückten” Viel-Gestalt. Sie blättern sein widerspruchsvolles Innenleben auf und zum Vorschein kommen Pongs “himmlische Verbindungen”, seltsame Sorgen, Befreiungsschläge, Freudensprünge, melancholische Abstürze und Liebeswünsche - ganz gewöhnliche menschliche Lebensregungen also.

Dieser Hellhörige weiß um die Zerbrechlichkeit der Welt und seiner Tassen im Schrank und stolpert dennoch mit zaghafter Tapferkeit und spielerischem Übermut durch die “Heikelräume” des Alltags - ein Seelenverwandter des heiligen Franz, Kafkas und der Beatles. Das Phantasiegestöber seiner Kopfgeburten schafft das Universum jeden Tag neu, und uns bringt Pong dazu “aus dem gehabten Leben auszuwandern, drei Schritte neben dem gewohnten Pfad zu gehen.”

Youtube Video


Produktion 2008

The last Round up

Das Ensemble entwickelt - auf dem Hintergrund vielfältiger beruflicher und privater Erfahrung - zum Themenkomplex Selbstbilder, Alter und Demenz ein verrücktes Spiel mit biografischen Elementen, Choreografien und literarischen Textfragmenten. Die Bühne wird zum experimentellen Raum, in dem szenisch und bildhaft untersucht wird, wie wir unser Selbst, unsere Erinnerungen und Viten in sozialen Zusammenhängen konstruieren und immer von neuem verändern. Die Bedeutung von Vergesslichkeit und Gedächtnisverlust im Alter für die menschliche Identität interessiert die Mitwirkenden ebenso wie Kreativität, Anarchie und Eigensinn, die sich im vermeintlichen Unsinn verstecken können. Die gedachte Grenze zwischen „Normalen“ und „Verwirrten“ öffnet sich im Spiel mit der eigenen Unvollkommenheit, Gebrechlichkeit und Bedürftigkeit, durch Selbstironie und Komik. Literarische Fragmente von Friederike Mayröcker, Peter Handtke, Judith Kuckart, Hans Magnus Enzensberger und Jorge Luis Borges vertiefen die Inszenierung. Sie will Menschen berühren, Anstöße geben zu offensiven Gesprächen über das Altern und neue Perspektiven des Zusammenlebens in der Gesellschaft des langen Lebens eröffnen.

Details siehe  Programmheft

 

webmaster, Letzte Aktualisierung: 29/11/23